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“Can we please move past Apples silly faux-real UIs?” Endlich sagt es mal jemand – und zwar wortreich. Der Autor des Co-Design-Artikels Tom Hobbs spricht mir aus der Seele. Selbst ehemalige Apple Designer bezeichnen die Liebe zur Abbildung detailgetreuer Materialien der realen Welt wie Holz, Chrom, Leder, etc. – nur weil es dank Retina Display geht – als “Visual Masturbation”. Es muss endlich Schluss sein mit Apples Lederimitat-UIs.

Das neue Wort zum Phänomen von Interfaces im Haptik-Look lautet “skeuomorphism” (“derivative object that retains ornamental design cues to a structure that was necessary in the original.” (Oxford Dictionary)). In der Theorie der Produktsprache einmal als Symbol- oder Anzeichenfunktion von Design recht nützlich, um an emotionale Werte zu appellieren oder um zur Nutzung digitaler Interfaces die Kenntnis der Benutzung analoger Interfaces als Eselsbrücke heranzuziehen, übertreiben es die Imitat-Designer von Apple gewaltig. Statt subtiler Evolution analog zur Fortentwicklung mentaler Modelle von Nutzern, steht der Rückschritt zu einem nahezu frühkindlichen Bild- und Objekterepertoire auf dem Programm.

iCal-Interface

Warum um alles in der Welt muss ein Kalender eine Wildlederheftung haben, an deren Falz noch ein Rest des irgendwann zuvor abgerissenen alten Kalenderblatts (wie bitte?) hängt? Warum muss ein “iBook” aussehen und bedient werden wie ein Buch aus Papier? (Alleine das Zusehen beim Umblättern ist ermüdend.) Warum muss ich meine iBooks, Magazine, etc. in diesem grauenvollen Bücherregal aus honigfarbenem, wahrscheinlich bienengewachstem, guten alten Wasweißich-Holz aufbewahren? (Ich habe bei diesem Anblick immer Angst, in eine Zeitmaschine geraten zu sein und wenn ich mich umdrehe stellt mir meine Oma einen selbst getöpferten Teller mit selbst gebackenen Keksen auf den Tisch, um mir danach eine frisch gebügelte Samtschleife ins geflochtene Haar zu binden.)

iBook-Interface

User Experience ist fantastisch, wenn das Erlebnisspektrum als passend empfunden wird. Dieses Einschließen im Kinderzimmer der persönlichen Handlungskompetenz durch Heraufbeschwören überholter mentaler Modelle bevormundet über alle Maßen und kann einem gehörig auf die Nerven gehen. Es ist ja nicht so, als sei die digitale Revolution mit all ihren Produkten spurlos an den Menschen vorbei gegangen, auch wenn es zugegebenermaßen lange dauert, bis alte Vorstellungen aufgeben werden. (Beispiel: Die Entwicklung von der Kutsche zum Automobil, so wie wir es heute kennen, dauerte Jahrzehnte und noch immer gibt es Kutschen-Anleihen im Design. ) Dennoch wäre es doch sehr, sehr schön wenn Designer nicht versuchen würden Nutzer mit ästhetischem Schnickschnack für dumm zu verkaufen. Gestepptes Wildleder – also bitte!

2 thoughts on ““Visual Masturbation”

  1. *lach* Erst letztens habe ich mich mit meinem Kommilitonen darüber unterhalten, dass die unverzierte Darstellung von Inhalten und Daten deutlich frischer und moderner wirkt als virtuelle Echt-Leder Kalender. Dass Apple da etwas dran ändert, bezweifle ich aber…

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  2. Ich empfand das ebenfalls als störend, seit ich das erste mal ein iPad in der Hand hatte und mir die native Kalender-App angeschaut habe. Damals habe ich aber zugebenermaßen gedacht “Das muss wohl so… Die von Apple wissen schon was sie tun.” Da hab ich mich doch tatsächlich vom gotthaften Status der Firma Apple einlullen lassen. Danke, dass Sie das so treffend und wortgewandt zum Ausdruck gebracht haben!

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